Was vorher geschah
Billy Pot
Billy Pot besaß früher eine Tierhandlung, die hauptsächlich Reptilien führte. Billy liebte Echsen und Schlangen und spezialisierte sich auf die Zucht von lila Pythons. Die größte Python, die er jemals gezüchtet hatte, lebte im Garten des Schuhmachers Terry Tarsal. Terry verabscheute Schlangen, und es kostete ihn große Überwindung, aus ihrer abgestreiften Haut die spitzen Schlangeniederschuhe für Marcia zu machen.
Als der Oberste Wächter bei Billy eine Kolonie Schnappschildkröten kaufte und ihm befahl, in den Palast zu ziehen und sich um sie zu kümmern, wagte Billy nicht, nein zu sagen. Seine Nichte Sandra führte für ihn den Laden und verlegte sich zu seinem großen Verdruss auf den Verkauf possierlicher Hamster und flauschiger Kaninchen. Die Kuscheltiere kamen sehr gut an, und bald erbot sie sich, Billy den Laden abzukaufen.
Mit dem Geld, das Billy von Sandra für die Tierhandlung bekam, errichtete er unten am Fluss die Eidechsengehege, baute den Rasenmäher und begann mit seiner endlosen Suche nach dem vollkommenen Rasen. Als die Heaps mit Jenna in den Palast zogen, bat ihn Silas, zu bleiben und sie von den Schnappschildkröten zu befreien. Billy willigte ein, doch es war ein aussichtsloses Unterfangen. Er gab auf, nachdem er durch eine besonders bissige Schildkröte beinahe einen Finger verloren hatte.
Una Brakket
Una Brakket war Hausmeisterin in den Baracken der Jungarmee, als Septimus noch ein Säugling war. Una konnte Jungen nicht leiden, nicht einmal die fügsamen und verängstigten von der Jungarmee. Bald ließ sie sich versetzen und wurde Haushälterin beim Jäger und seinem Rudel. Una himmelte den Jäger an, obwohl bezweifelt werden darf, dass er sie jemals bemerkte. Einmal fragte er sie, wo seine Socken seien, und Una schwebte tagelang auf einer rosa Wolke. Danach versteckte sie die Socken des Jägers absichtlich, damit er sie wieder danach fragte, doch er tat es nie.
Als der Oberste Wächter floh und Jenna als Prinzessin in den Palast zog, kam Una das Wiedereingliederungsprogramm Marcias und Althers zugute. Sie bewarb sich um eine Hausmeisterstelle im Palast, bekam sie aber nicht, weil sie Sarah Heap nicht ganz geheuer war. Darauf schickte man sie zu Professor Weasal Van Klampff, der sie nur einstellte, weil er Angst hatte, ihr eine Absage zu erteilen.
Doch Unas Sympathien galten immer noch DomDaniel, und so schloss sie sich der Aktionsgruppe Wiedereinsetzung an, einer Geheimorganisation, die im Verborgenen die Rückkehr des Schwarzkünstlers betrieb. Ihre Mitglieder trafen sich jeden Sonntagabend unter dem Deckmantel einer Volkstanzgruppe. Durch sie kam Una mit Simon Heap in Kontakt.
Professor Weasal Van Klampff
Weasal Van Klampff entstammte einer alten Professorenfamilie. Vor vielen Jahrhunderten hatte Professorin Doris Van Klampff eine geheime und hochkomplizierte Formel gegen Spukereien aller Art entwickelt. Sie schützte auch gegen Erscheinungen wie Marcias Schatten oder das Gespenst, das Alther heimgesucht hatte, als er noch DomDaniels Lehrling war. Die Van Klampffs hatten ungewöhnliche Fähigkeiten auf dem Gebiet der Mathematik, neigten aber auch zu Leichtgläubigkeit und extremer Vergesslichkeit. Weasal bildete keine Ausnahme.
Nachdem sein Vater, Otto, sich beim Mischen eines flüchtigen Amalgams mitsamt dem Laboratorium der Van Klampffs in die Luft gesprengt hatte, beschloss Weasal, dem Experimentieren zu entsagen und am Burggraben ein ruhiges Leben zu führen. Nach dem Umzug in das Haus an der Schlangenhelling entdeckte er zu seinem Leidwesen im hintersten Winkel eines Labyrinths von Gängen ein altes Laboratorium. Viele Jahre lang bemühte er sich, das Laboratorium zu vergessen, doch am Ende erlag er der Versuchung und beschloss, die Arbeit seines Vaters fortzusetzen. Er verbesserte Ottos Amalgam, so dass es als hochwirksamer Schutzschild gegen dunkle Mächte eingesetzt werden konnte, und schuf so unwissentlich ein ideales Versteck für DomDaniels Knochen.
Weasal Van Klampff war ein vertrauensseliger Mann und völlig ahnungslos, dass Una Brakket der Aktionsgruppe Wiedereinsetzung angehörte.
Beetle
Beetle war ein Einzelkind. Er wuchs in den Anwanden auf – seine Eltern bewohnten zwei geräumige Zimmer im Stockwerk direkt unter der Familie Heap. Eine seiner frühesten Erinnerungen war, dass seine Mutter mit einem Besenstiel an die Decke klopfte und »Ruhe, zum Donnerwetter!« brüllte. Seine Eltern verboten ihm den Umgang mit den Heaps, was sie für ihn aber nur noch interessanter machte, und bald schloss er enge Freundschaft mit dem gleichaltrigen Jo-Jo Heap.
Mit elf bestand er zur großen Freude seiner Mutter die äußerst schwierige Aufnahmeprüfung für das Manuskriptorium. Er begann als Mädchen für alles, und als ein Prüfgehilfe vom Schlitten fiel und sich den Knöchel brach, übernahm er die wöchentliche Inspektion der Eistunnel.
Beetle mochte Septimus sehr. Er erinnerte ihn an Jo-Jo, aber er teilte auch sein Interesse an der Zauberei und seine Vorliebe für ausgefallene Blubberwasser. Und seine Abneigung gegen Schwarze Magie. So vertraute er ihm einmal bei einem Glas Fruchtblubber an: »Diese ganze Schwarzkunst ist deprimierend. Als dieser grässliche alte Kerl in den Zaubererturm zurückkehrte, starb mein Hamster, meine Mutter bekam ein riesiges Furunkel auf der Nase, und unsere Katze lief weg. Und alles nur, weil bei der Arbeit Schwarze Magie an mir kleben blieb und ich sie dann mit nach Hause brachte. Schrecklich.«
Septimus mochte Beetle auch sehr. Er vertraute ihm blind.
Boris Catchpole
So lange Boris Catchpole denken konnte, war er immer nur mit seinem Nachnamen gerufen worden. Seine Mutter hatte sich ehrlich bemüht, ihn Boris zu nennen, aber schon als er laufen lernte, gab sie es auf und rief ihn Catchpole wie alle anderen. Irgendwie kam ihr Boris zu vertraut vor.
Catchpole träumte davon, Jäger zu werden. Er lief von zu Hause fort und schloss sich in den Ödlanden dem Jagdrudel an, während DomDaniel die Ermordung der Königin plante. Catchpole übte fleißig mit dem Rudel, aber er war nicht beliebt. Schon als Kind hatte er aufgehört, sich die Zähne zu putzen, und nun, da ihn seine Mutter nicht mehr dazu anhielt, hatte er nicht die Absicht, wieder damit anzufangen. Außerdem hatte er die nervöse Angewohnheit, mit der Zunge zu schnalzen, was den Leuten auf die Nerven ging, und obendrein wuchs er so schnell, dass er bald zu groß war, um ein guter Jäger zu werden.
Er brachte es bis zum Stellvertretenden Jäger, aber nicht weiter. Nach dem Sturz des Obersten Wächters bewarb er sich beim Wiedereingliederungsprogramm und wurde als Unterzauberer angenommen – eine neu eingerichtete Lehrstelle für reifere Jahrgänge und Menschen ohne magische Vorbildung.
Inzwischen träumte Catchpole davon, ein richtiger Zauberer zu werden. Er wollte es wenigstens zum Gewöhnlichen Zauberer bringen, hätte aber auch nicht nein gesagt, wenn man ihm den Posten eines Außergewöhnlichen angeboten hätte. Dazu kam es nie.
Jannit Maarten
Würde man Jannit Maarten bitten, sich selbst zu beschreiben, würde sie kurz und bündig »Bootsbauerin« sagen. Mehr nicht. Jannit hatte wenig Zeit für Politik und noch weniger Zeit für Zauberer. Was in der Burg geschah, interessierte sie nicht. Ihre ganze Welt war ihre Bootswerft, die sie vor den Mauern der Burg betrieb. Sie schlief geräuschvoll in ihrer Hängematte, stand im Morgengrauen auf und verbrachte die hellen Stunden des Tages fröhlich mit Zimmern, Ausbessern, Bemalen und Scheuern – und den vielen hundert anderen herrlich zeitraubenden und kniffligen Arbeiten, die zum Bootsbau gehörten.
Nicko konnte es sich nur schwer vorstellen, aber auch Jannit war mal ein junges Mädchen gewesen, nur hatte sie alles vergessen – möglicherweise, weil sie auf einem kleinen Hof im Herzen der Ackerlande aufgewachsen war und Hühner, Kühe oder Schweine nicht ausstehen konnte. Ihre Eltern verstanden nie, warum sie sich mit vierzehn wie ein Junge anzog, von zu Hause weglief und zur See fuhr. Mit neunzehn kehrte sie auf einem eigenen Schiff zurück und gründete neben dem ehemaligen Zollkai ihre Bootswerft. Jannit war mit ihrem Leben rundum zufrieden und verließ nur sehr ungern ihre geliebte Werft.
Spürnase
Spürnase war ursprünglich ein Tennisball. Zwei Jahre lang lag er in einem feuchten Straßengraben neben dem Porter Tennisheim, nachdem ihn jemand in einem Wutanfall aus dem Fenster gedroschen hatte. Er wurde von Mäusen angenagt und löste sich langsam in seine Bestandteile auf, bis ihn eines Tages Simon Heap fand, in die Tasche steckte und ins Observatorium brachte.
In den folgenden Monaten lag Spürnase in einem versiegelten Kasten, den Simon Heap sorgsam hütete. Simon füllte den Kasten regelmäßig mit Gasen und Tränken, besprach ihn stundenlang und umgab ihn mit Umkehrzaubern. Als Spürnase allmählich ein Bewusstsein erlangte, hörte er, wie um Mitternacht Beschwörungen gemurmelt wurden, und roch die Dunkeldämpfe, die Simon in den Kasten blies. So lag er da und harrte verwirrt, aber gespannt der Dinge, die da kommen sollten.
Dann, eines Nachts bei Dunkelmond, wurde der Kasten geöffnet, und Spürnase erblickte zum ersten Mal die Welt. Was er sah, gefiel ihm, und Simon Heap war mit seiner Schöpfung zufrieden. Spürnase leuchtete hell und machte einen aufgeweckten Eindruck, er war gehorsam und lernte schnell. Bald folgte er seinem Meister überallhin und wurde Simon Heaps treuester und zuverlässigster Helfer.
Schwester Meredith
Schwester Agnes Meredith, ehemalige Oberhebamme und Kindsräuberin, ging nach ihrer Entlassung aus der Anstalt für geistesgestörte und notleidende Personen nach Port. Auf der Suche nach ihrem Sohn Merrin durchstreifte sie die Straßen, hatte aber kein Glück. Als das Taschengeld, das sie von der Anstalt bekommen hatte, aufgebraucht war, nahm sie in einer schäbigen Pension in der Seilerbahn neben dem Haus des Porter Hexenzirkels eine Stelle als Putzfrau an.
Die Besitzerin der Pension war eine gewisse Mrs. Florrie Bundy, eine wohlbeleibte Frau mit aufbrausendem Wesen und einem guten Gedächtnis. Florrie lag in zahlreichen Fehden mit ihren Nachbarinnen, den Porter Hexen, und ein heftiger Streit wegen eines gebrauchten Teebeutels – der ihr, wie sie behauptete, mit Absicht an den Kopf geworfen worden sei – führte schließlich zu ihrem Ableben. Linda, die Florrie den Teebeutel tatsächlich eines Tages aus purer Langeweile an den Kopf geworfen hatte, war es irgendwann leid, angeschrien zu werden, und belegte Florrie mit einem Schrumpfzauber. Im Verlauf weniger Wochen schrumpfte Florrie selbst auf die Größe eines Teebeutels, und eines frostigen Morgens rutschte sie auf einer vereisten Stelle vor der Hintertür aus, fiel in den Rinnstein und ertrank.
Agnes Meredith hatte Florries Schrumpfungsprozess mit großem Interesse verfolgt. Eines Tages, als die winzige Pensionswirtin spurlos verschwand, übernahm sie die Pension, als ob nichts geschehen wäre. Sie tapezierte die Zimmer mit Velourstapeten, schrieb wunderliche Botschaften, die sie an die Wände hängte, und stopfte das Haus mit getrockneten Blumen und Puppen voll. Sie genoss die Gesellschaft ihrer Puppen, und irgendwann hörte sie auf, nach Merrin zu suchen. Bei Puppen, so sagte sie sich, wusste man wenigstens, woran man war.
Maureen
Maureen war nach einem Zwischenfall in der Palastküche mit dem Oberkartoffelschäler Kevin nach Port durchgebrannt. Dort sparten die beiden auf ein eigenes Cafe. Als Kevin als Koch auf einem großen Handelsschiff anheuerte, das rund um die Welt fuhr, übernahm Maureen die einzige Stelle, die sie zu der Zeit finden konnte, nämlich im Puppenhaus. Die Arbeit war nicht ideal, aber wenigstens konnte sie die Trinkgelder, die sie von dankbaren Gästen bekam, auf die hohe Kante legen, und da sie in dem Schrank unter der Treppe wohnte, brauchte sie keine Miete zu bezahlen. Sie sehnte den Tag herbei, an dem Kevin zurückkehrte und sie sich unten im Hafen ein kleines Cafe suchen konnten.
Der Porter Hexenzirkel: Veronika
Veronika lebte von allen Hexen am längsten im Zirkel, hatte es aber nie zur Hexenmutter gebracht, da sie sehr vergesslich war und obendrein dazu neigte, beim Schlafwandeln das Haus zu verlassen und mehrere Tage hintereinander fortzubleiben. Veronika liebte Ratten. Diese Schwäche hatte sie von ihrem Vater Jack geerbt, der draußen in den Schilffeldern am Rand der Marram-Marschen lebte. Wie ihr Vater besaß Veronika eine große Sammlung von Käfigratten in unterschiedlichen Stadien des Verfalls.
Linda
Linda war die jüngste Hexe und, wie sie selbst es ausdrückte, »für alles zu haben«. Die anderen Hexen genossen ihre Gesellschaft, aber nicht ihre Streiche. Linda hatte ein hitziges Temperament und eine Vorliebe für gemeine Zauber, wenn ihr jemand dumm kam. Was nach dem Vorfall mit Dorindas Elefantenohren allerdings keine der Hexen mehr wagte. Pamela, die Hexenmutter, spürte, dass Linda das Zeug zu Höherem hatte, und baute sie heimlich als ihre Nachfolgerin auf.
Daphne
Daphne war die Stille im Zirkel. Sie ging gut gelaunt ihren Beschäftigungen nach, blieb meist für sich und hegte fröhlich eine Kolonie riesiger Holzwürmer, die sich langsam durchs Haus fraßen. Sie liebte ihre Holzwürmer, und wenn sie mal sprach, dann meist nur mit ihnen.
Pamela
Pamela war die Hexenmutter und die Schwarze Hexe des Zirkels. Natürlich hielten sich auch alle anderen für Schwarze Hexen, aber Pamela war wirklich eine. Sie hatte mehrere Jahre bei DomDaniel im Observatorium gelebt und von dort viele Schauergeschichten mitgebracht, die ihren Zirkelschwestern Angst machten, auch wenn sie das niemals zugeben und lieber verdorbenen Froschsaft trinken würden. Pamela hatte ein verschließbares Zimmer, dem die anderen tunlichst fernblieben. Nachts, wenn grauenerregende Schreie aus dem Zimmer drangen, hielten sich die anderen Hexen die Ohren zu und versuchten zu schlafen.
Dorinda
Dorinda hatte bis zu jener schrecklichen Nacht der Elefantenohren nie großen Wert auf ihr Äußeres gelegt. Sie wusste, dass sie nicht besonders gut aussah, denn seit dem Zusammenstoß mit einer Feuerleiter war ihre Nase etwas schief, und ihr Haar hatte sie noch nie leiden können. Aber sie gab endgültig jede Schönheitspflege auf, nachdem Linda ihr vorgeworfen hatte, sie habe sie bei einem privaten Gespräch mit einem jungen Hexenmeister belauscht, den sie mit nach Hause gebracht hatte. Dorinda bestritt es energisch, obwohl der ganze Zirkel wusste, dass sie an Schlüssellöchern horchte. Und Linda geriet darüber so in Wut, dass sie Dorinda ein Paar Elefantenohren zauberte (und zwar afrikanische, die wirklich großen). »Wenn sie schon durchs Haus schleicht und lange Ohren macht«, bemerkte Linda dazu, »soll sie auch Ohren bekommen, die sie richtig lang machen kann.« Seit jener Nacht trug Dorinda stets ein großes Handtuch um den Kopf gewickelt und behauptete gegenüber ihren Zirkelschwestern, sie habe sich gerade die Haare gewaschen. Dabei wussten alle – und Dorinda wusste, dass alle es wussten –, dass unter dem Handtuch das sauber gefaltete Ohrenpaar eines afrikanischen Elefanten lag. Es war ein Dauerzauber, den nicht einmal Pamela aufheben konnte.
Hugh Fox, Obermagieschreiber
Hugh Fox arbeitete zwanzig Jahre lang als kleiner bescheidener Schreiber im Manuskriptorium, ehe er zum Obermagieschreiber erkoren wurde.
Als DomDaniel Marcia Overstrand aus den Marram-Marschen zurückgelockt hatte, hatte er das Buch Wie man die dunklen Kräfte unschädlich macht, das sie bei sich trug, an sich genommen. Der Schwarzkünstler brachte es zu Waldo Watkins, dem Obermagieschreiber, und befahl ihm, mit Hilfe der hermetischen Dunkelkräfte, die einem Oberschreiber stets zu Gebote stehen, die Geheimnisse des Buchs zu entschlüsseln. Waldo Watkins weigerte sich, und noch am selben Abend verschwand er auf dem Nachhauseweg und ward nie wieder gesehen.
DomDaniel bestand darauf, dass sofort ein Nachfolger bestimmt wurde, und die Auslosung wurde angesetzt. Die Auslosung war ein alter Brauch: Jeder Schreiber legte seinen Federhalter in einen großen Emailletopf. Der Topf wurde in die Hermetische Kammer gebracht und über Nacht dort gelassen. Am nächsten Morgen lag stets ein Federhalter auf dem Tisch, während sich die übrigen noch im Topf befanden. Normalerweise schickte man den jüngsten Schreiber hinein, um den auserwählten Federhalter zu holen.
Diesmal jedoch nahm sich DomDaniel das Recht heraus, persönlich in die Hermetische Kammer zu gehen und den Federhalter zu holen. Und als er mit dem zerkauten Schreibwerkzeug zurückkam, das Hugh Fox gehörte, waren alle fassungslos. Sogar Hugh Fox selbst. Das Gerücht kam auf, dass bei der Wahl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei, aber man konnte nichts beweisen.
Die Wahrheit war, dass DomDaniel den Federhalter eines begabten und belesenen Schreibers namens Jillie Djinn in den Topf zurückgelegt und dafür Hugh Fox’ Federhalter herausgezogen hatte, weil er annahm, dass er mit Letzterem leichtes Spiel haben würde.
Und so wurde Hugh Fox in den Geheimschriftenkodex eingeweiht, mit den amtlichen Siegeln ausgestattet und vorschriftsmäßig in sein Amt als Obermagieschreiber eingeführt. Zu DomDaniels Verdruss hatte er allerdings große Mühe, die Geheimnisse von Marcias Buch zu entschlüsseln. Dafür fand er zur selben Zeit, als der Schwarzkünstler in den Marram-Marschen bis auf die Knochen abgenagt wurde, den im Einband versteckten Flug-Charm.
Nach DomDaniels Ableben und Marcias Rückkehr in den Zaubererturm drohte die Aktionsgruppe Wiedereinsetzung Hugh Fox mit demselben Schicksal, das dem bedauernswerten Watkins widerfahren war, falls er sich weigert, Simon Heap Zugang zu den Eistunneln zu gewähren. Hugh Fox willigte ein. Und als Simon Heap die Herausgabe des Flug-Charms verlangte, gab er ebenfalls nach, ohne zu murren. DomDaniel hatte Recht gehabt – mit Hugh Fox hatte man tatsächlich leichtes Spiel.
Partridge
Colin Partridge war früher Gardewächter. Er stammte aus einem Dorf am Rand der Schaflande, wo er gegen seinen Willen eingezogen worden war. Partridge war ein verträumtes Kind, das seine Tage damit zubrachte, die Schafe seines Vaters zu hüten. Doch leider verlor er mehr Schafe, als seinem Vater lieb sein konnte, und irgendwann gab dieser die Hoffnung auf, jemals einen guten Hirten aus ihm zu machen. So kam es, dass der junge Colin, als ein Rekrutierungstrupp der Gardewächter dem Vater versprach, »einen Mann aus ihm zu machen«, ruck, zuck mit geschnürtem Bündel bereitstand, sehr zum Entsetzen seiner Mutter, die ihn abgöttisch liebte.
Doch Partridge hatte Glück. Als er in die Burg kam, ging die Herrschaft des Obersten Wächters gerade zu Ende, und keinen Monat nach seiner Einziehung meldete er sich beim Wiedereingliederungsprogramm und erhielt eine Stelle im Manuskriptorium. Partridge war niemals glücklicher gewesen.
Die Eistunnelgeister
Eldred und Alfred Stone waren Brüder. Wie viele andere Maurer waren sie zur Zeit der Großen Katastrophe unter Tage gebracht worden und hatten in langen aufreibenden Stunden versucht, die Risse in den Tunneln zu flicken, aber ohne Erfolg. Sie gehörten zu den neununddreißig Unglücklichen, die von der Noteinfrierung überrascht wurden und nie wieder das Tageslicht erblickten. Zusammen mit ihren Leidensgenossen durchstreiften sie weiter die Tunnel, ohne zu ahnen, dass viele hundert Jahre vergangen waren, seit man sie eingefroren hatte. Die beiden Brüder waren davon überzeugt, dass das ganze Leben noch vor ihnen lag, wenn ihnen nur jemand den Weg zum Ausgang zeigte.
Ellis Crackle
Ellis Crackle war DomDaniels Lehrling, als der Schwarzkünstler vor vielen Jahren zum ersten Mal Außergewöhnlicher Zauberer in der Burg war. Ellis war ein Tölpel und für die Zauberei nur mäßig begabt, aber das störte DomDaniel nicht. Er entschied sich für Ellis, weil er Betty Crackles Bruder war. Zu der Zeit war Betty Crackle die Hüterin des Drachenboots. Sie war eine Weiße Hexe, die aufgrund ihrer Zerstreutheit und allgemeinen Unordentlichkeit stets ein großes Durcheinander hinterließ. Sie sollte später von Tante Zelda abgelöst werden, nachdem sie in einer Winternacht nach Port gewandert und unterwegs von der Großen Kälte überrascht worden war.
Ellis war sogar noch vergesslicher als Betty, aber DomDaniel vermutete in der Hüterhütte etwas sehr Wichtiges – etwas, das ihn daran hinderte, die Burg vollständig unter seine Kontrolle zu bringen – und wollte herausfinden, was es war. Durch Betty Crackles Bruder hoffte er, hinter das Geheimnis zu kommen.
Pech nur für DomDaniel, dass es kurze Zeit, nachdem Ellis die Lehre bei ihm angetreten hatte, zwischen den beiden Geschwistern zu einem heftigen Streit kam. Ellis prahlte einmal zu oft mit seinem wichtigen neuen Posten, und Betty, die sehr neidisch war, konnte es nicht mehr ertragen. Sie belegte die Hüterhütte mit einem Zauber, der Ellis fern hielt, und sprach nie wieder ein Wort mit ihm. So kam es, dass DomDaniel das in der Hüterhütte versteckte Drachenboot niemals entdeckte – ja, nicht einmal herausfand, wo die Hütte überhaupt lag.
Als Tante Zelda die schlampige Betty ablöste, hatte DomDaniel für Ellis keine Verwendung mehr. Er nahm Alther Mella als Lehrling und belegte Ellis mit einem Suspendierungszauber – ein besonders gemeiner Zauber, der eine Person ganz langsam in einen Schatten verwandelt. Danach bewahrte DomDaniel den bedauernswerten Ellis für eine spätere Verwendung auf. Als Marcias Schatten erwies er sich später als sehr nützlich.
Hildegard
Hildegard arbeitete in der Buchhaltung des Wächterrats, deren Hauptaufgabe darin bestand, die verschwenderischen Ausgaben des Obersten Wächters einzudämmen. Es war ein aussichtsloses Unterfangen. Später wechselte Hildegard in den Außendienst, der den Verkauf der Palastschätze vorantrieb. Mit der Zeit lernte Hildegard die alten Gemälde und Möbelstücke, die sie verkaufen musste, lieben, aber sie verhandelte hart und erzielte gute Preise für sie.
Hildegard freute sich sehr, als ihr das Wiedereingliederungsprogramm eine Ausbildung zur Unterzauberin ermöglichte. Den Türdienst im Palast versah sie allerdings mit gemischten Gefühlen, und wenn sie die vielen leeren Ecken sah, in denen einst all die Schätze gestanden hatten, plagte sie das Gewissen. Sie nahm sich fest vor, Gewöhnliche Zauberin zu werden und den entstandenen Schaden, soweit möglich, wiedergutzumachen.